Autor:innen-Theatertage
Fischer Fritz fischt nicht mehr
FISCHER FRITZ gehört zu den Preisträgern der 25. ATT am Deutschen Theater Berlin. Enrico Lübbe, Schauspiel Leipzig, hat ihn eingefangen und Rhythmus und Sprachwitz des sensiblen Stückes von Raphaela Bardutzky zwischen beredter Geste und komischem Zungenbrecher sehenswert in Szene gesetzt.
Zum Abschluss der diesjährigen Jubiläumsausgabe der Autor:innen- Theatertage am Deutschen Theater wurden aus den mehr als 150 Bewerbungen wieder drei Preisträgerstücke in Uraufführungen vorgestellt. Mit dabei das Stück FISCHER FRITZ unserer Autorin Raphaela Bardutzky in der Regie von Enrico Lübbe vom Schauspiel Leipzig.
„Die Lange Nacht der Autor:innen am DT wartet mit schweren Themen auf. Überzeugt hat besonders das Zungenbrecheruniversum um Fischer Fritz. (…)
Amal Keller, Julia Preuß und Mira Faifer tauchen zunächst gleichberechtigt ins Zungenbrecheruniversum des Fischers mit den frischen Fischen ab. Daraus kristallisieren sich Figurenkonstellationen heraus. Keller wird zum alternden Fischer, dessen Feinmotorik rauer wird, sodass er nicht mehr fischen kann. (…) Die Sturheit und Bockigkeit dieser Figur drückt Keller (eine Schauspielerin noch unter 30) mit kargen Reden, abwehrendem Blick und kompakter Körperhaltung derart überzeugend aus, dass man sich fragt, wie im Theater überhaupt nur der Diskurs der repräsentativen Besetzung nach Kriterien wie Geschlecht, Lebensalter oder Herkunft entstehen konnte. (…)
Stück und Inszenierung tippen mit eher leichter Hand schwere Themen an. Um Abschiebung der Alten geht es, um migrantische Ausbeutungsszenarien – bei Fritz zieht die polnische Pflegerin Piotra ein. Noch größer wird dieses Panorama in dem Moment, in dem Franz die Parallelen zwischen Piotra und der jungen ukrainischen Zwangsarbeiterin auffallen, die während der NS-Zeit im Dorf arbeitete und Ziel der Begierden der gesamten männlichen Dorfjugend war.“
Tom Mustroph, taz.de, 21.06.2022
„Aber man kann Probleme auch aufgreifen, ohne den ideologischen Holzhammer schwingen zu müssen“, lobt Irene Bazinger das Stück, dessen Inhalt sie wie folgt skizziert: Ein alter Mann, Fischer Fritz, erleide in der bayerischen Einöde einen Schlaganfall. Sohn Franz organisiere eine junge Pflegerin aus Polen, die dann auch beim Vater einwohne. Es sei Piotras erste Stelle und sie bemühe sich, deutsch zu sprechen. Doch zwischendurch switche sie auch zurück in die Muttersprache und stolpere über das breite Bayerisch der Region. „Die Akte des Sprechens definieren die Struktur dieses beherzten Stückes, das unaufgeregt und verständig nach Erwartungen und Vorurteilen, dem Pflegenotstand und dem Problem des Alterns in Würde fragt.“ Drei junge Schauspielerinnen teilen sich in alle Rollen und „lösen die erzählerischen Passagen kunstvoll-vergnügt auf“. Mit empathischer Distanz und sensibler Musikalität inszeniere Enrico Lübbe dieses „Sprechtheater“ als hohe Schule der Kommunikationspraxis. „Das Schweigen ist hier so beredt wie eine Geste, ein polnischer Sinnspruch oder ein deutscher Zungenbrecher. Raphaela Bardutzkys anrührendes Stück verschreibt sich der Realität hinter den Worten“ (faz.net, 20.06.2022)
„Der Text hat es in sich, nicht nur, weil er – von deutschen und polnischen Zungenbrechern inspiriert – ein ganzes kleinen Universum voller Kommunikationslabyrinthe erschafft, in dessen Zentrum der Ex-Fischer Fritz sitzt (…), geplagt vom Niedergang seines Körpers. (…) In dieses Leben stolpert nun die von Sohn Franz, dem „Städter“, engagierte Pflegekraft Piotra. (…) Wer nun ein Sozialdrama (…) vermutet, dem sei gesagt: weit gefehlt.
Sie alle sind abwechselnd Erzähler:in und eine der drei Figuren, hören die Gedanken der anderen, fühlen der Sprache, ihren Fallen, ihren Gemeinsamkeiten, ihrer Endlichkeit nach. (…) Zusammen mit der immensen sprachlichen Leistung der Schauspielerinnen, die dieses hochgradige Formspiel mühelos tragen, ergibt sich eine ganz eigene Form des artifiziellen, stilisierten Erzähltheaters. Es distanziert sich einerseits von seinen Figuren, andererseits spürt es genau in sie hinein.“
Stephanie Drees, nachtkritik.de, 20. 06.2022
29.06.2022 | Theater
Fischer Fritz
1D 2H
UA: 18.06.2022 Berlin, Schauspiel Leipzig im Rahmen der Autor:innentheatertage am Deutschen Theater; Leipzig-Premiere am 27.10.2022
Raphaela Bardutzky
Raphaela Bardutzky studierte Schauspieldramaturgie, Philosophie und Literaturwissenschaft an der Bayerischen Theaterakademie August Everding und der LMU München.
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